Team Freispruch in Venedig


Team Freispruch ist eines der Drachenboot-Teams, die an unserem Verein regelmäßig trainieren. Hier der Bericht von Freispruch über ihre Teilnahme an der Vogalonga am 9. Juni 2019. (pb)

Etwa Mitte 2018 diskutierten die Mitglieder des Team Freispruch eine verrückte Idee: Die Teilnahme an der sog. Vogalonga 2019, einer der berühmtesten Regatten der Welt in Venedig. Die Vogalonga ist eine Protestveranstaltung gegen die Motorschiffe, die Venedig, die Stadt im Meer, immer mehr vernichten.

Zunächst glaubte noch kaum jemand daran, diesen Traum verwirklichen zu können, musste dafür doch ein großer logistischer Aufwand betrieben werden. Wo kann man sich wann und in welcher Sprache anmelden? Wo gibt es Übernachtungsmöglichkeiten? Wo kann man das Boot, welches noch verbracht werden muss, so zu Wasser lassen, dass man nicht kilometerweit durch die Gegend paddeln muss? Gerade letztere Frage war von entscheidender Bedeutung, mussten im Rennen immerhin 30 km zurückgelegt werden. Dennoch: der Virus hatte alle infiziert. Es  wurden kurzfristig schon vorsorglich Zimmer und Campingplätze reserviert. Je näher der Termin rückte, je mehr stieg die Begeisterung dafür, dass das Ziel erreicht werden könnte. Und tatsächlich, die Internetseite, auf der man sich anmelden konnte, ging online und die Anmeldung funktionierte. Es gab die Startnummer 278. Auf verschiedenen Wegen kamen die Paddler am Pfingstwochenende nach Venedig und wohnten in der Stadt, auf dem Campingplatz oder im Hotel in der Nähe des Flughafens. Nach 16 Stunden Fahrt war auch das Boot vor Ort.

Am Rennmorgen paddelt das Team mit dem Startspruch „Ready, Attention, Gemütlich“ die 7 km bis zum Start. Dort versammelten sich über 2000 Boote aller Kategorien aus allen Nationen: Australien, Neuseeland, Schweiz, Ungarn, Tschechien, Frankreich, Holland usw. Natürlich waren Italien und Deutschland ganz stark vertreten. Auch einige Boote, die man vom Monkey Jumble kannte, waren dabei. Aus dem Saarland wurden ebenfalls einige Paddler gesichtet, u.a. die Kollegen der AWO. Ein Kreuzfahrtschiff, das gerade noch vor dem Rennen anlegte, wurde auf das Übelste „ausgebuht“.

Der Start: Gänsehaut pur. Ein Kanonendonner hallte über die Bucht und die 2000 Boote setzten sich in Bewegung. Team Freispruch im vorderen Feld mit schönen langen Streckenschlägen. Kilometer um Kilometer. Zwischendurch gab es immer wieder Scharmützel mit anderen Booten, wobei alle letztlich nur ein Ziel vor Augen hatten: Ankommen. Besonders gefragt waren das Geschick und die Erfahrung des Steuermanns, da es viele Engstellen gab und immer wieder langsamere Boote unvermittelt den Weg kreuzten. Nach ca. 15 km musste eine Pinkelpause eingelegt werden, die sich länger gestaltete als geplant, weil für die über 7000 Paddler nur zwei Dixitoiletten vorhanden waren, von denen eine noch abgesperrt war.

Schließlich konnte man nach einer kilometerlangen Geraden durch die Lagune schon den Campanile in der Ferne sehen. Nur leider ging es nicht geradeaus in die Stadt, sondern vorher mit einem Schwenk durch die Insel Murano. Dort entwickelte sich eine regelrechte Triumphfahrt. Die Einwohner hatten sich am Kanal versammelt, Tische und Stühle aufgestellt und applaudierten den Booten auf das Heftigste zu. Mega.
Aus Murano heraus nochmal um die halbe Stadt und dann hinein nach Venedig, wo es zunächst einen Stau gab, weil eine Brücke passiert werden musste, durch die nur jeweils ein bis zwei Boote passten. Dort regelte die Polizei, dass ein Boot nach dem anderen durchfuhr und Taucher achteten auf die Sicherheit. Gleichzeitig kommentierte ein Italiener ohne Atempause jedes einzelne Boot unter dem tosenden Applaus der Zuschauer, die von da an die Kanäle und Brücken säumten. Wieder Gänsehaut.

So ging es dann durch die Kanäle auf den Canale Grande durch die Rialtobrücke zum Markusplatz, wo alles begonnen hatte und nunmehr das Ziel wartete. Vor der Ziellinie wurden noch alle Paddler mit Vornamen begrüßt, natürlich mit der ureigenen italienischen Art. Und endlich die erlösende Zieldurchfahrt. Tränen in den Augen vor Erschöpfung und vor Stolz auf eine Leistung, die man eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Vorbei an dem Boot, das die Medaillen und Urkunden verteilte, zurück Richtung Rialtobrücke, wo man sich zunächst einen Anlegepunkt suchte, um vor der Rückfahrt wenigstens einmal alle Mitgefährten in die Arme schließen und die Beine ausstrecken zu können. Nach einem Gruppenfoto ging es dann die 7 Kilometer zurück und diesmal mit einem Grinsen im Gesicht, das tagelang nicht mehr verschwinden sollte. Vogalonga 2019: ein unvergessliches Erlebnis!

Und eines hat sich auch wieder gezeigt: Drachenbootsport ist einzigartig. Er schweißt Teams zusammen. Er lässt Dich Deine Grenzen überschreiten und beschert Dir unbeschreibliche Emotionen. (rt)